Peripartale Kardiomyopathie (PPCMP): Gefahr für Mutter und Kind

 

Die PPCMP ist eine Erkrankung, die während der Schwangerschaft in der Zeit um die Geburt innerhalb des letzten Schwangerschaftsmonats bis zu 6 Monaten postpartal auftritt. Bemerkenswert ist die große regionale Varianz in der Inzidenz der PPCMP bei Betrachtung der bisherigen Studienlage, mit ausgeprägten Schwankungen in verschiedenen Ländern, auch innerhalb Europas. In einer aktuellen Beobachtungsstudie aus Schottland wurden nun die Inzidenz der PPCMP und assoziierte Prädiktoren analysiert.   

Von:

Prof. Andrea Bässler

Universitätsklinikum Regensburg

 

11.03.2024

 

Die PPCMP tritt in einer besonderen Lebensphase der Frau auf, die durchaus als kardiovaskuläre und hormonelle Stresssituation aufgefasst werden kann. Pathophysiologisch kann es in dieser von enormen physiologischen Umstellungen gekennzeichneten Phase durch das Zusammenspiel von vorbestehenden, überwiegend kardiovaskulären Risikofaktoren, Hormonen und genetischer Prädisposition zum Auftreten einer Herzinsuffizienz unterschiedlichen Schweregrads bis hin zu schwerem akuten Herzversagen mit kardiogenem Schock kommen, aber auch leichtere Formen sind durchaus bekannt. Begünstigt wird diese, potenziell für Mutter und Kind lebensbedrohliche Erkrankung, durch inflammatorische und immunologische Komponenten sowie eine endotheliale Dysfunktion.

PPCMP-Inzidenz 1:5000 Geburten

 

Die Publikation von Jackson et al. berichtet eine retrospektive, bevölkerungsbasierte Beobachtungsstudie zur Epidemiologie der PPCMP in Schottland. Dabei wurden die Inzidenz der PPCMP und assoziierte Prädiktoren analysiert. Im Zeitraum zwischen 1998 und 2017 wurden 227 Fälle identifiziert, einer Inzidenz von 1:4950 entsprechend.1


Als assoziierte Prädiktoren der PPCMP wurden Adipositas, schwangerschaftsinduzierte Hypertonie, Präeklampsie und Mehrlingsschwangerschaft identifiziert. Desweiteren beschreiben die Autoren hohe Mortalitätsraten sowohl der Mütter als auch der betroffenen Kindern (Erhöhung um den Faktor 12 bzw. 5). Zudem fand sich bei PPCMP Kindern ein signifikant häufigeres Auftreten von Frühgeburtlichkeit, niedrigem Geburtsgewicht, Totgeburten oder frühem neonatalen Tod (p < 0,001). Auch traten Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei PPCMP-Kindern 3-mal häufiger auf als bei den Kontrollen. Eine erneute Verschlechterung der kardialen Funktion bei der Mutter nach bereits stattgefundener Normalisierung ist möglich. Ein deutlich erhöhtes Rezidivrisiko ist insbesondere dann vorhanden, wenn sich die kardiale Funktion nach initialer Therapie nicht wieder vollständig erholt.   

Frühzeitiges Erkennen von Risikopatientinnen

 

Dies verdeutlicht, wie wichtig die frühzeitige Identifizierung von Risikopatientinnen ist, um bereits im Vorfeld präventive Maßnahmen initiieren zu können. Zudem sind langfristige Nachsorgeuntersuchungen von Relevanz, um Rezidiven oder erneuter Verschlechterung nach initialer Genesung vorzubeugen.
Die Studie beleuchtet mehrere Aspekte rund um die PPCMP, und verdeutlicht den noch vorhandenen Forschungsbedarf dieser für Mutter und Kind potenziell lebensbedrohlichen Erkrankung.

 

Bemerkenswert ist die große regionale Varianz in der Inzidenz der PPCMP bei Betrachtung der bisherigen Studienlage, mit ausgeprägten Schwankungen in den verschiedenen Ländern, auch innerhalb von Europa (1:1000 in Südafrika, 1:000-1:4000 in USA, 1:1500 Deutschland, 1:5700 Schweden, 1:10.000 in Dänemark), und in den verschiedenen Ethnizitäten (häufiger bei Afrikanerinnen als bei Kaukasierinnen). Die Inzidenz-Angaben der vorliegenden Untersuchung aus Schottland liegen bei gerundet 1:5000 und sind damit vergleichbar zu den USA und geringer als in Deutschland.

Unterdiagnostizierung wahrscheinlich

 

Ein möglicher zugrundeliegender Faktor für die regionale Varianz in der Inzidenz liegt in der heterogenen Ausprägung der Erkrankung und der Tatsache, dass die Symptome, bestehend aus Dyspnoe, peripheren Ödeme und Müdigkeit, als physiologische Zeichen oder gar typische Veränderungen am Ende oder kurz nach der Schwangerschaft fehlinterpretiert werden und die Diagnose entweder gar nicht oder sehr spät gestellt wird. Somit ist davon auszugehen, dass die Erkrankung, gerade auch bei geringerer Ausprägung, unterdiagnostiziert ist und dies niedrigere Inzidenzzahlen mitbedingen kann. Desweiteren können methodische Unterschiede, insbesondere auch hinsichtlich der Definition der Erkrankung für die regional sehr unterschiedlichen Inzidenzen verantwortlich sein.
Auch hinsichtlich des Outcomes zeigten sich in einer Metaanalyse weltweit durchgeführter Studien divergente Angaben. Der unterschiedliche Zugang zu Herzinsuffizienztherapien spielt hier möglicherweise eine Rolle.

Risikofaktoren beachten

 

Wichtig ist eine präzisere Risikobestimmung mit konsequenter Ermittlung der Risikofaktoren spätestens zu Beginn der Schwangerschaft. Wesentliche Prädiktoren - Adipositas, schwangerschaftsbedingte Hypertonie, Präeklampsie und Mehrlingsschwangerschaft - wurden in der vorliegenden Untersuchung aus Schottland und auch in anderen aufgezeigt. Erforderlich ist darüberhinaus die Entwicklung zusätzlicher spezifischer diagnostischer Marker zur frühen Diagnosestellung, zur Unterscheidung von Differenzialdiagnosen und insbesondere auch zur Abgrenzung gegenüber den physiologischen Schwangerschaftsveränderungen. Eine präzisere Risikobestimmung, z.B. im Rahmen von Screening-Untersuchungen könnte zur frühzeitigen Identifizierung der Risikopatientinnen und zur frühzeitigen Einleitung der notwendigen therapeutischen Maßnahmen beitragen. Vor dem Hintergrund, dass eine genetische Prädisposition vermutet wird und Überlappungen mit Kardiomyopathien, z.B. DCM (dilative Kardiomyopathie), nicht auszuschließen sind, muss auch der Nutzen einer genetische Testung zur Erkennung einer genetischen Prädisposition evaluiert werden.


Zur Vermeidung von Rezidiven oder erneuter Verschlechterung nach initialer Genesung ist die Identifizierung von Prädiktoren für den Langzeitverlauf essentiell. PPCMP-Patientinnen sollten langfristig regelmäßig hinsichtlich Risikoprofil und kardialer Funktion nachuntersucht und ggf. therapiert werden.
Weitere Bereiche mit Forschungsbedarf betreffen das Kind sowie das pharmakologische Management der Mutter - auch im weiteren Verlauf nach der LV-Erholung und bei möglicherweise erneutem Kinderwunsch.


Neue Erkenntnisse könnten zu einem besseren Verständnis der Erkrankung beitragen, zumal sie eine enorme Herausforderung für die werdende Mutter und das Kind mit hohem Mortalitäts- und Morbiditätsrisiko darstellt.


Referenzen

  1. Jackson AM et al. A 20-year population study of peripartum cardiomyopathy. Eur Heart J. 2023;44(48):5128-5141
  2. Viljoen C et al. Peripartum cardiomyopathy in Europe: new insights from the UK. Eur Heart J. 2023;44(48):5142-5145
  3. Hoevelmann J et al. A global perspective on the management and outcomes of peripartum cardiomyopathy: a systematic review and meta-analysis. Eur J Heart Fail. 2022;24(9):1719-1736

 

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