Welche Nebenwirkungen hat Ibuprofen für Herzkranke?

Von Herzrasen bis Herzstillstand: Ibuprofen kann für Herzkranke gefährlich sein. Hunderttausende Patientinnen und Patienten bekommen es dennoch jedes Jahr verordnet. Was die Nebenwirkungen sind und welche Alternativen es gibt.

Von Amina Linke

 

29.04.2024

 

Bildquelle (Bild oben): iStock/elenaleonova

Warum Herzkranke Ibuprofen nicht nehmen sollten

Schmerzen schränken je nach Stärke und Dauer im Alltag ordentlich ein. Wer schnell beschwerdefrei sein möchte, greift zu einem der bekannten und meist rezeptfreien Schmerzmittel. Wie bei jedem Medikament kann es allerdings auch hier unerwünschte Nebenwirkungen geben – besonders Menschen mit einer Herzerkrankung sind gefährdet. Für sie ist es lebenswichtig, dass das richtige Schmerzmittel in der richtigen Dosis eingenommen – aber auch verschrieben wird. Doch genau hier gibt es ein Problem, wie der Barmer Arzneimittelreport jüngst offengelegt hat. So erhielten über 500.000 Versicherte trotz Herzinsuffizienz allein 2021 nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen 600 oder Diclofenac. Schon eine kurze Einnahmezeit von Ibuprofen kann die Herzleistung bei Herzkranken stark verschlechtern – und sogar das Sterberisiko erhöhen. Medizinische Leitlinien raten deshalb gänzlich von dem Einsatz dieser Schmerzmittel bei Menschen mit koronarer Herzkrankheit, Herzinsuffizienz oder Herzrhythmusstörungen ab.

Doch wie wirkt sich Ibuprofen genau auf den Körper beziehungsweise auf das Herz aus? Und welche Alternativen gibt es?

Was ist Ibuprofen und welche Nebenwirkungen hat es?

Ibuprofen ist ein weit verbreitetes Schmerzmittel, das oft auch zur Senkung von Fieber in der Selbstmedikation eingesetzt wird. Die Einzeldosis beträgt 200 und 400 Milligramm – die Tagesgesamtdosis für gesunde Erwachsene liegt bei 1.200 Milligramm.

 

So wirkt Ibuprofen: Das Schmerzmittel hemmt im Körper die Produktion von sogenannten Cyclooxygenase-Enzymen (COX), die für die Bildung von Prostaglandinen verantwortlich sind. Prostaglandine sind chemische Botenstoffe, die unter anderem Entzündungen und Fieber fördern und die Schmerzwahrnehmung verstärken.

 

Es gibt zwei Formen von COX-Enzymen – COX-1 und COX-2. Ibuprofen wirkt hauptsächlich durch die Hemmung von COX-2, das an Entzündungsprozessen beteiligt ist. Doch auch auf COX-1, welches unter anderem für eine intakte Magenschleimhaut wichtig ist und die Blutgerinnung reguliert, wirkt sich Ibuprofen aus. Die Hemmung von COX-1 kann daher zu Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden oder einer erhöhten Blutungsneigung führen.

 

Die möglichen Nebenwirkungen von Ibuprofen im Überblick:  

Auftreten können Sodbrennen, Bauchschmerzen, Übelkeit, Verstopfung und sogar Blutungen in Magen und Darm.

Es kann zu einer zu hohen Konzentration von Stoffen wie Kreatinin und Harnsäure im Körper kommen, die mit dem Harn ausgeschieden werden müssen.

Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkt oder auch Herzstillstand sind mögliche Folgen einer falsch dosierten Einnahme von Ibuprofen.

So wirkt sich Ibuprofen auf das Herz aus

Die Auswirkungen von Ibuprofen 200, 400 oder 600 und anderen NSARs auf das Herz werden intensiv erforscht. Studien haben ergeben, dass Ibuprofen das Risiko eines Herzinfarkts und eines Schlaganfalls erhöhen kann. Schon bei einer ein- bis siebentägigen Einnahme von Ibuprofen erhöht sich das Herzinfarktrisiko um fast 100 Prozent.

 

So können Ibuprofen und ähnliche Medikamente das Herz-Kreislauf-Risiko erhöhen: 

 

Ibuprofen kann den Blutdruck erhöhen und die Wirkung bestimmter blutdrucksenkender Medikamente abschwächen. Ein dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum erhöhter Blutdruck führt zu Schäden an den Gefäßwänden – das Herzinfarktrisiko steigt.

Ibuprofen kann das Ausscheiden von Natrium und Wasser aus dem Körper verringern oder verhindern, so dass Ödeme entstehen. Das kann zu einer zusätzlichen Belastung des Herzens beitragen.

Ibuprofen beeinflusst zwar nicht in dem Maße die Funktion der Blutplättchen und die Blutgerinnung wie Aspirin, kann sich aber dennoch auf das Herz-Kreislaufsystem auswirken. So kann es zum Beispiel zu Blutungen oder Blutgerinnseln kommen, sogenannte Thromben. Treten diese in den Herzkranzgefäßen auf, kommt es zum Herzinfarkt.

Ibuprofen und ähnliche Medikamente können die Produktion bestimmter Substanzen beeinflussen, die für die Blutgefäße wichtig sind – wie zum Beispiel Stickstoffmonoxid. Das Molekül hat eine gefäßerweiternde Wirkung und reguliert unter anderem die Durchblutung des Herzens.

Treten folgende Symptome nach einer Einnahme von Ibuprofen auf, sollte umgehend ärztlicher Rat eingeholt werden:

 

  • Schwindel
  • Müdigkeit bis hin zur Schlaflosigkeit
  • Innere Unruhe
  • Reizbarkeit
  • Herzrasen

 

Das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch die Einnahme von Schmerzmitteln wie Ibuprofen kann individuell stark variieren und von Faktoren wie der Dosierung und der Dauer der Anwendung abhängen. Die Beratung durch einen Facharzt oder eine Fachärztin ist in jedem Fall empfehlenswert – insbesondere bei chronischen Schmerzen.

Ist Paracetamol besser als Ibuprofen für Herzkranke geeignet?

Für viele Menschen sind Ibuprofen und Paracetamol im Alltag bei Schmerzen die erste Wahl. In niedrigen Dosierungen sind beide Präparate rezeptfrei und in fast jeder Hausapotheke zu finden. Allerdings gibt es in der Wirkungsweise der beiden Schmerzmittel Unterschiede. Paracetamol wird zur Gruppe der Nichtopioid-Analgetika gezählt. Chemisch gesehen gehört Paracetamol also nicht zu den morphinartig wirkenden Opioiden, die zum Beispiel bei starken Tumorschmerzen eingesetzt werden. Schmerzlindernd und fiebersenkend ist Paracetamol aber allemal – jedoch nicht wie Ibuprofen entzündungshemmend. Zum Einsatz kommt es deshalb meist bei Kopf-, Zahn- und Regelschmerzen, aber auch bei Gelenkschmerzen kann Paracetamol helfen. Die Nebenwirkungen fallen geringer aus als bei Ibuprofen. Doch auch hier sollten Herzkranke nicht zur Selbstmedikation greifen, sondern sich vor der Einnahme ärztlichen Rat holen. Denn genau wie bei Ibuprofen ist die richtige Dosierung für Herzkranke wichtig. Auch Paracetamol kann zum Beispiel den Blutdruck erhöhen.

Interview mit Prof. Dr. Klingenheben

Wie kann es passieren, dass Herzkranke im Praxisalltag für sie gefährliche Medikamente auf Rezept bekommen?

 

Prof. Dr. Klingenheben: „Das sollte natürlich nicht passieren; andererseits aber ist ein Medikament wie Ibuprofen so gut wirksam bei bestimmten – zum Beispiel orthopädisch verursachten – Schmerzsyndromen, dass manche Patienten trotz Aufklärung über ein möglicherweise erhöhtes Infarktrisiko die Schmerzfreiheit als subjektiv höherwertiges Therapieziel ansehen und trotz Risikoaufklärung dann wünschen, dennoch mit dieser Substanz behandelt zu werden. In diesen individuellen Fällen habe ich als Arzt durchaus dafür Verständnis. Hingegen sollte eine Verschreibung aus etwaiger Unkenntnis von Wechselwirkungen wirklich vermieden werden.“

Zum Experten

Prof. Dr. Thomas Klingenheben

Prof. Dr. med. Thomas Klingenheben ist Kardiologe in Bonn.

Prof. Thomas Klingenheben
Bildquelle: Lars Bergengruen, Bonn

Welche Wechselwirkungen von Ibuprofen gibt es, die Herzkranke besonders im Blick haben sollten?

 

Prof. Klingenheben: „Wie schon oben angegeben, Ibuprofen kann, wie auch andere sogenannte nicht-steroidale Schmerzmittel, zu einer Beschleunigung der Arteriosklerose und einem höheren Risiko für ein arteriosklerotisches Ereignis, wie zum Beispiel, einem Herzinfarkt, führen. Hauptursächlich ist eine Blutdruckerhöhung durch eine Erhöhung des Gefäßwiderstands. Ebenso weisen einige der nichtsteroidalen Schmerzmittel auch eine höhere Blutungsneigung auf, zum Beispiel auch in Kombination mit ASS. Diese Kombination, aber auch die mit Blutdruckmitteln, sollte vermieden werden.“

 

 

Inwieweit hängen Neben- und Wechselwirkung bei Herzpatienten mit der Schmerzmitteldosis zusammen? Sind kurzzeitige minimale Dosen im Notfall in Ordnung? Wenn ja, für wen und welche?


„Dazu gibt es keine guten wissenschaftlichen Daten. Tatsächlich benutzen aber nicht wenige Herz-Kreislauf-Patienten die Analgetika nur kurzzeitig, um einer unkontrollierten anhaltenden Wechselwirkung zu entgehen.“

 

 

Gibt es für Herzkranke Alternativen zu Ibuprofen (und Paracetamol)? Welche?

 

„Es gibt etliche Alternativen, deren Auswahl allerdings hochindividuell erfolgen sollte, beginnend mit dem häufig verordneten Novaminsulfon bis hin zu Opioid-Analgetika. Alle Schmerzmittel haben potenzielle Nebenwirkungen, was bei der Auswahl der Substanz berücksichtigt werden muss.“

 

 

Worauf ist bei einer Schmerzbehandlung bei Risikopatienten zu achten?

 

„Grundsätzlich sollte eine Schmerzbehandlung möglichst sehr effektiv sein, denn ein anhaltendes Schmerzsyndrom trotz Therapie bedeutet Stress für den Körper, hierdurch schlimmstenfalls Schmerz induzierter Bluthochdruck und möglicherweise ebenfalls ein erhöhtes Risiko.“

 

 

Inwieweit kann Digitalisierung beziehungsweise digitale Unterstützung bei einer Schmerztherapie für Herzkranke hilfreich sein?


„Im Rahmen der elektronischen Pat-Akte (EPA) wird in Zukunft das Risiko von Medikamenten-Wechselwirkungen ganz grundsätzlich deutlich reduziert werden – nicht nur im Bereich der Schnittschnelle Kardiovaskuläre Erkrankungen/Schmerztherapie –, da eine möglicherweise versehentliche Verordnung nicht kompatibler Medikamente erheblich zuverlässiger vermieden werden wird.“

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